Radfahren und zu Fuß gehen

Nachhaltige Mobilitätsformen wie Radfahren oder zu Fuß gehen werden seit Jahren gesellschafts- und umweltpolitisch unterstützt, was unter anderem dazu führt, dass immer mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sind. Aber auch ein Ausbau der Fußgänger- und Radinfrastruktur ist die Folge. Aus den veränderten Mobilitätsmustern sowie den neuen infrastrukturellen Gegebenheiten resultieren eine Vielzahl an (neuen) verkehrspsychologischen Handlungsfeldern.

Autofahrer sind es gewohnt, dass sie sich nach dem langen Winter im Frühling langsam wieder an die motorisierten Zweiräder im Straßenverkehr gewöhnen müssen. Aber auch bezogen auf Fußgänger und Radfahrer fehlt es dann oft an dem für ein sicheres Miteinander notwendigen Perspektivenwechsel und gegenseitigem Verständnis. Verkehrspsychologen befassen sich einerseits mit potentiellen Verkehrskonflikten zwischen den einzelnen Verkehrsteilnehmergruppen, andererseits aber auch mit den Schnittstellen Mensch-/Infrastruktur und Mensch-/Fahrzeug. Was können technische oder infrastrukturelle Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen? Welche begleitenden Informationskampagnen und bewusstseinsbildenden Maßnahmen sind notwendig, damit die technischen und verkehrsplanerischen Maßnahmen auch akzeptiert und sicherheitsförderlich angewendet oder verwendet werden? Wo fehlt es bezogen auf den Verkehrsteilnehmer an Wissen, Können oder Motivation zu sicherheitsbetontem Verhalten? Welchen moderierenden Einfluss nehmen hier Persönlichkeitseigenschaften und Einstellungen ein? Wie kann man gegebenenfalls den sich zeigenden Mängeln begegnen? Wie sollte interdisziplinäre Verkehrssicherheitsarbeit erfolgen und kommuniziert werden, damit sie den gewünschten Effekt zeigt?

Kompetenzentwicklung Radfahren

Radfahren ist eine komplexe Tätigkeit, die eine Vielzahl an motorischen, kognitiven sowie sozial-emotionalen Fähigkeiten erfordert. In Bezug auf die Ausbildung von Radfahrkompetenzen geht man in der verkehrswissenschaftlichen Forschung davon aus, dass Kinder mit ca. neun bis zehn Jahren die motorischen Radfahrkompetenzen erworben haben aber erst mit 13 bis 15 Jahren auch über die kognitiven und sozial-emotionalen Fähigkeiten verfügen, um selbst in komplexen Verkehrssituationen sicher unterwegs sein zu können. Die Verkehrspsychologie beschäftigt sich einerseits mit der Entwicklung der Radfahrkompetenzen und deren Schulung und Training und andererseits mit Motivations-, Einstellungs- und Persönlichkeitsvariablen. Diese zu kennen ist etwa wichtig, um zu verstehen, warum beispielsweise trotz vorhandenem Verkehrswissen und Regelverständnis bewusst Regelübertretungen begangen werden. Verkehrssicherheitsarbeit zur Erhöhung der Regelakzeptanz bezieht hier neben psychoedukativen Ansätzen auch psychologisch (mit) gestaltete Infrastruktur ein. Derzeit wird interdisziplinär intensiv an Sicherheitskenngrößen für den Radverkehr gearbeitet sowie an möglichen Ansätzen, um ihn für alle Radfahrer unabhängig von Alter und Radfahrkompetenz sicherer zu gestalten.

Verkehrsteilnahme als Fußgänger

Zu Fuß gehen ist die natürlichste und einfachste Mobilitätsform und vor allem für Kinder, Jugendliche und Senioren auch die wichtigste. Vor allem zwischen dem Jugend- und dem Seniorenalter ist das Kfz oft die erste Mobilitätwahl, wobei sich hier in jüngster Zeit zunehmende Stadt-/Landunterschiede zeigen.

Verkehrspsychologische Fragestellungen betreffen hier die Entwicklung, Förderung und Untersuchung von Fußgängerkompetenzen im Kleinkindalter, die Anleitung zu ersten selbständigen Schritten im Straßenverkehr im Schulalter, die Entwicklung von Fußgängertrainingsprogrammen, die Sensibilisierung in Bezug auf Ablenkung durch Kopfhörer, Smartphone-Gebrauch oder andere Multitasking-Tätigkeiten beim Gehen im Straßenverkehr. Hinzu kommen beratende Tätigkeiten bei der Adaptierung der Infrastruktur für zu Fuß gehende Senioren oder andere Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Dies betrifft besonders die Beratung von Verkehrsplanern in Bezug auf wahrnehmungspsychologische Aspekte bei der Schutzweggestaltung und Vieles mehr.