Verkehrspsychologie Ausbildung und Beruf

Die Verkehrspsychologie gibt es nicht. Es handelt sich um ein ebenso breites wie heterogenes, ebenso interessantes wie auch anspruchsvolles und abwechslungsreiches Tätigkeitsfeld. Andererseits gibt es in Deutschland bisher kein durchgängiges System der Gewinnung, Ausbildung und Akkreditierung von verkehrspsychologischen Experten, das der interdisziplinären Natur des Verkehrssystems entspricht, weder auf Hochschulebene noch anderswo. Das bedeutet u.a., dass der Diplom- oder Master-Abschluss in Psychologie zwar unabdingbare Voraussetzung für eine berufliche Tätigkeit ist, aber alleine nicht unbedingt für eine bestimmte Tätigkeit im verkehrspsychologischen Bereich qualifiziert.

Verkehrspsychologen sind in folgenden Berufsfeldern gefragt:
– Tätigkeit in Forschung und Entwicklung an Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen
– Verkehrspsychologische Aufgabenstellungen in Verbänden, Versicherungen, in der Automobilindustrie etc.
– Konzeptentwicklung in der Fahrzeuggestaltung, z.B. bei Fahrassistenzsystemen.
– Mobilitäts- und Sicherheitsmanagement in Verkehrsbetrieben.
– Planung und Forschung für Verkehrswege und Verkehrssysteme: Unfall- und Konfliktanalysen, Verkehrsraumgestaltung.
– Verkehrspsychologische Begutachtung in der Fahreignungsdiagnostik.
– Verkehrspsychologische Beratung bei Fahreignungsproblemen (in der Rehabilitation).
Tätigkeit in Transport- und Verkehrsbetrieben, Kommunen, Verbänden:
     Eignungsdiagnostik, Arbeitsorganisation und –gestaltung, Arbeitssicherheit und Gesundheitspsychologie
– Verkehrsplanung.
– Verkehrspädagogische Aspekte: Entwicklung und Gestaltung von Aufklärungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, Soziomarketing.
Bahn,- Flug- und Schifffahrtspsychologie:
Personalauswahl, Arbeitsorganisation, Mensch-Maschine-Interaktion, Unfallanalysen, Krisenintervention.

Qualifikation als Verkehrspsychologin und Verkehrspsychologe
Bei einer Suche nach einer geeigneten Ausbildung empfiehlt sich angesichts der Vielfalt an Universitäten und Studiengängen, diejenigen zu wählen, in denen die Schwerpunktsetzungen auf Diagnostik und Arbeitspsychologie (bzw. auch „Human Factors“) möglich sind.

Auf der anderen Seite existieren aber dennoch eine Reihe von Möglichkeiten, enger mit verkehrspsychologischen Inhalten vertraut zu werden oder sogar eine Qualifikation in Verkehrspsychologie zu erhalten.

  • Am Lehrstuhl für Verkehrspsychologie der TU Dresden werden im Rahmen des Psychologiestudiums schwerpunktmäßig verkehrspsychologische Themen angeboten. Dies sind in erster Linie ergonomische Verkehrspsychologie, Verkehrssicherheit, Mobilitätspsychologie und Lichttechnik.
  • Am Lehrstuhl für Allgemeine & Arbeitspsychologie der TU Chemnitz sind verkehrspsychologische Inhalte aus dem Bereich der ergonomischen Verkehrspsychologie integraler Ausbildungsbestandteil. Der Lehrstuhl betreibt ausgedehnte verkehrspsychologische Forschung in interdisziplinärer Zusammenarbeit vornehmlich mit Ingenieuren und Informatikern und hat eine Arbeitsgruppe  Verkehrs- & Mobilitätspsychologie etabliert.
  • Am Lehrstuhl für Ingenieur- und Verkehrspsychologie der TU Braunschweig sind verkehrspsychologische Inhalte insbesondere aus dem Bereich der ergonomischen Verkehrspsychologie integraler Ausbildungsbestandteil.
  • An verschiedenen weiteren Universitäten werden singulär Veranstaltungen mit verkehrspsychologischen Inhalten angeboten.

Zwei neue (auch berufsbegleitende) Studiengänge, die explizit einen Abschluss mit der Berufsbezeichnung Verkehrspsychologe vorsehen, sind konzipiert, werden aber bisher noch nicht umgesetzt:

  • An der Universität Bonn ein „Master Verkehrspsychologie“. Zugangsvoraussetzung ist ein BSc in Psychologie, der Master-Studiengang ist auf 3 Jahre ausgelegt und konzentriert sich auf die klassischen Berufsbilder verkehrspsychologischer Begutachtung und Rehabilitation.
  • An der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) ein Masterstudiengang „Psychologie des Verkehrswesens“. Dieser Begriff bringt ein modernes und integrierendes Verständnis aller Facetten der Verkehrspsychologie zum Ausdruck: Gestaltung des Transport- und Verkehrswesens; Mobilitäts- und Sicherheitsmanagement; verkehrspsychologische Begutachtung und Rehabilitation. Zugangsvoraussetzung ist ein Diplom/Master in Psychologie; die Ausbildung dauert 2 Jahre.

Von der Deutschen Psychologen Akademie (DPA) wird über den Berufsverband eine Fortbildung zum „Fachpsychologen für Verkehrspsychologie BDP“ angeboten (Weiterbildung Verkehrspsychologie | Deutsche Psychologen Akademie ).

Viele Psychologen finden den Weg zur Verkehrspsychologie auch über eine Weiterbildung zum Berater, Kursmoderator oder Gutachter bei einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle oder einem anerkannten Träger für Kurse zur Wiederherstellung der Fahreignung. Eine Übersicht über diese Träger findet sich auf der Internetseite der BASt.

Die Rolle von Verkehrspsychologen in den Berufsfeldern
Die Verkehrspsychologie ist seit jeher stark interdisziplinär ausgerichtet. In den klassischen Arbeitsfeldern Diagnostik und Verkehrsrehabilitation war und ist daher die Bereitschaft gefordert, in einem juristisch geregelten Umfeld mit Medizinern, Juristen und Behörden zusammenzuarbeiten. Das bedeutet zum einen, jenseits psychologischen Wissens auch medizinische Fachbegriffe oder gesetzliche Regelungen zu kennen, um als gleichberechtigter Partner mit Ärzten und Juristen zusammenzuarbeiten. Umgekehrt muss man als Psychologe (Führungs-) Verantwortung übernehmen und entscheidungsfreudig sein, da in der Diagnostik meist die psychologischen Fragestellungen überwiegen.

Bereits in dem Lehrbuch „Verkehrspsychologie“ von Klebelsberg (1982) wird die Zielrichtung von einer diagnostischen hin zu einer pädagogischen und ergonomischen Verkehrspsychologie formuliert. Denn, so wird argumentiert, der relativ größte Wirkungsgrad wird psychologischen Maßnahmen vorbehalten sein, die nicht primär für Minderheiten von Verkehrsteilnehmergruppen konzipiert sind, sondern das allgemeine Verhalten beeinflussen wollen. Man bedenke nur die vielen Möglichkeiten, in denen Gestaltungen des Straßenraums und des Kraftfahrzeuges durch Einbeziehung psychologischer Gesichtspunkte verbessert werden könnten. Gerade die rasante technische Entwicklung der letzten 25 Jahre mit all ihren Licht- und Schattenseiten gibt dieser Einschätzung nachhaltig recht. Das Zusammenspiel von Mensch und Technik wird das Verkehrsgeschehen viel nachhaltiger prägen als bisher. Neue Informations-, Steuerungs- und Regelsysteme werden dazu beitragen, den zukünftigen Verkehr sicherer, effektiver und umweltfreundlicher zu gestalten. Dem „menschlichen Faktor“ wird für das Funktionieren des Verkehrs dabei zu Recht eine Schlüsselrolle zukommen. Die Verkehrspsychologie – in enger Verknüpfung mit ihren arbeits- und ingenieurpsychologischen Wurzeln – hat dabei in enger Kooperation mit den Ingenieurwissenschaften eine Fülle von Aufgaben zu lösen, die ihre traditionellen diagnostischen und verhaltensmodifikatorischen Bemühungen wirkungsvoll ergänzen. Dazu gehört es wiederum, keine Scheu vor der Aneignung technischer Begrifflichkeiten zu haben und sich in die völlig andere Gedankenwelt eines Ingenieurs hineinzudenken und einzufühlen.

Literaturtipp:
Fastenmeier, W. (2019). Berufsfelder als Verkehrspsychologe. In M. Mendius & S. Werther (Hrsg.), Faszination Psychologie – Berufsfelder und Karrierewege (2. Aufl.)  (S. 221-230). Berlin: Springer.